REICHSARCHIV BAND 34, VON SEITE 173 BIS 186

Mißerfolg der Gruppe Langer. - Befehl zum Einstellen des Angriffs. 173

weit er feindliche Kräfte gebunden bzw. Reserven von der 7. Armee ferngehalten hatte, blieb zunächst ungewiß.

Sicherlich hat die Truppe, von den Anstrengungen des Vortages erschöpft und in dem nicht unzutreffenden Gefühl, vor eine mehr oder weniger unlösbare Aufgabe gestellt zu sein, am 16. Juli nicht überall mit bem gleichen Schwung und Eifer angegriffen, wie am Tage zuvor. Keineswegs aber kann etwa von einem Versagen der Truppe gesprochen werden. Hiergegen spricht allein schon die auch für diesen Tag recht hohe Verlustziffer. Daß der Angriff mißlang, war nach Lage der Dinge eigentlich unvermeidlich, besonders da die Grundlagen für eine Bekämpfung bzw. vorübergehende Ausschaltung der feindlichen Artillerie vollkommen fehlten.

Überhaupt waren die deutschen Batterien gerade hier in der Champagne vor eine ebenso schwere, wie undankbare Aufgabe gestellt. Sie haben sie nach besten Kräften und unter rücksichtslosem Einsatz ihrer selbst zu lösen versucht. Ihre Verluste waren demgemäß außerordentlich hoch, sie übertreffen stellenweise prozentual die der Infanterie erheblich. So verloren z. B. die Divisionsartillerie der 199. Inf.Div. (Felda.Regt. 263 und III./bayer. Fußa. 2) am 15. und 16. Juli 4 Offiziere, 151 Mann, die der 239. Inf.Div. (Felda.Regt. 55 und Fußa.Batl. 78) sogar 14 Offiziere, 226 Mann.

Schon bald nach Mittag hatte das A.O.K. 1 erkannt, daß der Angriff an seiner Front keine wesentliche Erfolge haben würde. General v. Mudra entschloß sich daher, ihn sobald als möglich abzubrechen und einen Teil der Artillerie der Gruppe Ilse zuzuführen, welche den linken Flügel der im langsamen Fortschreiten gemeldeten 7. Armee unterstützen sollte. Am Nachmittag ergingen an die Gruppen Lindequist, Gontard und Langer vorbereitende Weisungen, den Angriff einzustellen und sich zur Abwehr zu gliedern. 21 Feld- und 5 schwere Batterien hatten sich bereits in der Nacht vom 16./17. Juli zur Gruppe Ilse in Marsch zu setzen.

An der Front verlief der Rest des Tages unter beiderseitigem, wechselnd starkem Artilleriefeuer. Zu Infanteriegefechten kam es, abgesehen von vereinzelten örtlichen Kämpfen, nicht mehr. Die Divisonen der Armee- und Heeresgruppenreserve blieben an ihren bisherigen Plätzen, die 19. Ers.Div. (O.H.L.Reserve) marschierte am Nachmittag bis in die Gegend von Auménancourt, sie sollte zur 7. Armee treten (vgl. S.181).

174 Der Angriff der 1. Armee am 16. Juli

Die Gruppenkommandos gaben am Abend die vorläufigen Befehle zur Abwehr. Sie enthielten vor allem die erforderlichen Anordnungen zur Schaffung eines tiefen Vorfeldes, Bestimmung der Hauptwiderstandslinie, Tiefenstaffelung der Artillerie, für Sperr- und Vernichtungsfeuer sowie für Tankabwehr. Die neue Hauptwiderstandslinie sollte, 500 m westlich la Beltonnerie die bisherige Hauptwiderstandslinie verlassend, über Arbre et Croix du Soldat (nordwestlich Prunay)-les Marquises Fe - Stützpunkt östlich davon - dann, nach Nordosten umbiegend, zur Westspitze des Wäldchens westlich des Wortes ,,le Patron' - über die Stellungsgabel südlich ,,Land' (von ,,Lug ins Land') - Croix St. George-Graben bis 600 m östlich Höhe 188 -,,Hexenberg" - West- und Südrand von Aubérive laufen. Als vordere Grenze des Vorfeldes wurde im allgemeinen die im Angriff erreichte vordere Linie bestimmt, auf dem rechten Angriffsflügel mußte die Grenze jedoch etwas zurückverlegt werden. Hier sollte die Linie: Vesle-südlich Prunay-nördlich des Feldwegekreuzes 1100 m östlich Prunay-nördlich des feindlichen Stellungsknies (1400 m südöstlich les Marquises Fe) das Vorfeld feindwärts abschließen. 820 abds. befahl das A.O.K.-, daß die 203. Inf.-Div. ihre an den Kanal vorgeschobene Infanterie in der Nacht hinter die Vesle zurückzunehmen hätte, die Flußübergänge sollten jedoch durch Posten besetzt gehalten werden. Zur Verschleierung dieser Bewegung hatten Patrouillen am Kanal noch 48 Stunden zurückzubleiben.

Der Angriff der 3. Armee. 175

D em Heeresgruppenbefehl von 1230 vorm. entsprechend (vgl. S.146) befahl Generaloberst v. E i n e m am 16. Juli 20 vorm. die Fortsetzung des Angriffs auf beiden Flügeln der 3. Armee: das XII. A.K. sollte sich mit der 1. Inf.Div. im bisherigen Gefechtsstreifen dem Angriff der 1. Armee anschließen, die Garde-Kav.Sch.Div. aber bereithalten, ent-sprechend dem Fortschreiten der 1. Inf.Div. mit vorzustoßen. Sturmzeit für 1. Inf.Div.: 110 vorm. Bezüglich des Angriffs der 33. Res.Div. hatte es bei den hierfür bereits gesondert erlassenen Weisungen (vgl. S.144) zu bleiben. Das 1. bayer. und das XVI. A.K. - letzteres abgesehen von der 33. Res.Div. - sollten die erreichten Stellungen halten, sich zur Abwehr von Gegenangriffen stark nach der Tiefe gliedern und im übrigen beschleunigt alle für die Fortsetzung der Offensive erforderlichen Maßnahmen treffen. Die Armeereserven (7. Res.-, 30. und 228. Inf.Div.) und Heeresgruppenreserven (20. und 240. Inf.Div.) wurden angewiesen, sich von Tagesanbruch ab alarmbereit zu halten. Ein unmittelbar danach ausgegebener Befehl regelte die Neuverteilung der Artillerie. Die überwiesenen Minenwerferformationen waren bereits, abgesehen von den bei der 33. Res.Div. eingesetzten, größtenteils herausgezogen worden, nur beim XII. A.K. befanden sich noch vier Kompagnien.

Das Störungsfeuer der feindlichen Artillerie war während der Nacht stark, kräftige Feuerüberfälle erfolgten auf die Infanterie-Stellun, gen und die über das Trichtergelände führenden Anmarschwege. Maschinengewehre streuten dauernd das Vorgelände ab, der Gegner schien eine Fortsetzung des Angriffs zu erwarten und wollte eine neue Bereitstellung um jeden Preis verhindern. Französische Gegenangriffe er-

176 Der Angriff der 3. Armee am 16. Juli.

folgten nicht. Das Bombengeschwader (Bogohl) 1 griff nachts Châlons und die Strecke Châlons-Vitry-le François an, auf der anscheinend lebhafter Bahnverkehr herrschte; 13 500 kg Bomben wurden abgeworfen.

Während der Nacht war die zur 33. Res.Div. herangezogene Verstärkungsartillerie in Stellung gegangen. Die ,,Ika' der 33. Res.Div. zählte nunmehr 18 Feld- und 17 schwere Batterien. Zur Beschießung der feindlichen Gräben waren sechs Minenwerfer-Kompagnien mit insgesamt 28 schweren, 84 mittleren und 48 leichten Werfern eingebaut. Die 33. Res.Div. hatte nach dem eingeschränkten Angriffsbefehl (vgl. S. 144) nur noch östlich der Butte du Mesnil, d. h. mit Mitte und linkem Flügel (Inf.Regt. 364 und Res.Inf.Regt. 67), vorzustoßen. Beide Regimenter griffen mit je zwei Bataillonen in vorderer Linie an, I./364 und III./Res. 67 waren Brigade- bzw. Divisionsreserve. 430 vorm. begann die Feuervorbereitung, bei der auch die Artillerie der Gruppe Argonnen (Genkdo. 58) eingriff, 50 vorm. fand der Sturm statt. Der infanteristische Widerstand war gering, die artilleristische Gegenwirkung dagegen erheblich. Trotzdem wurde das Angriffsziel schnell erreicht. Regt. 364 besetzte den Stützpunkt 700 m nordöstlich der Beausejour Fe und die beiderseits anschließenden Gräben, Res.Inf.Regt. 67 die Höhe 900 m nordwestlich ,,Ehrenberg' und den nach Südwesten zur I'Etang-Schlucht laufenden Graben; beide Regimenter behielten befehlsgemäß nur schwache Kräfte in vorderster Linie. Aus den erreichten Stellungen schoben die 364er Postierungen nach dem ,,Blitzlicht" und dem Wäldchen hart südwestlich davon vor. 720 vorm. setzten diese Posten sich hier fest und begannen nun weiter gegen die ,,Kanzel" hin vorzufühlen. Ein Vorgehen von Postierungen des I./Res. 67 gegen den ,,Ehrenberg" erwies sich dagegen wegen des von dort herüberschlagenden M.G.Feuers als unmöglich. Am weiteren Vormittag ließ das feindliche Artilleriefeuer nach. Der Franzose streute das Gelände ab, er schien sich über die vordere deutsche Linie nicht im klaren zu sein. Nur die Höhe 900 m nordwestlich ,,Ehrenberg" wurde vom Feind weiter unter stärkerem Artilleriefeuer gehalten.

Nach dem Befehl des Genkdos. XII hatte die 1. Inf.Div. den Schwer-punkt ihres Angriffs auf den rechten Flügel zu legen. Das gleiche sollte bei der Garde-Kav.Sch.Div. der Fall sein, sobald diese sich dem Vorgehen der 1. Inf.Div. anschloß. Für den Angriff wurden der letzteren insgesamt 37 Feld- und 16 schwere Batterien (dabei die Artillerie der 7. Res.- und

Erfolgreicher Vorstoß der 33. Res.Div. - Der Angriff der 1. Inf.Div. 177

20. Inf.Div.) unterstellt. An der um 100 vorm. beginnenden Artillerie-vorbereitung konnte sich jedoch nur ein Teil von ihnen beteiligen; die anderen Batterien waren noch im Anmarsch vom nördlichen Py-Ufer her, wohin sie das Generalkommando in der Nacht vom 15./16. zurückgezogen hatte. So waren zunächst nur 13 Feld- und 10 schwere Batterien verfügbar. Aber auch von diesen konnten die neu eingetroffenen größtenteils nur nach dem Plan oder unter Übernahme der Beobachtungen usw. anderer Batterien schießen, da die knappe zur Verfügung stehende Zeit nicht zum Einrichten eigener Beobachtungsstellen und Legen von Fernsprechverbindungen ausgereicht hatte. Als Ersatz für die fehlenden Batterien stellte das Generalkommando Teile der Artillerie der Garde-Kav.Sch.Div. zur Verfügung, die aber auch nicht mehr rechtzeitig zum Feuern kamen.

Der Stoß der 1. Inf.Div. richtete sich gegen die Stellung vom Waldstück westlich des ,,R" von ,,Suippes-R." (Karte 1 : 80000) bis zur Südwestecke des Wäldchens nordwestlich Punkt 118. Gren.Regt. 3 sollte mit starkem rechten Flügel angreifen und nach Süden durchstoßen, Gren.-Regt. 1 hatte sich dem Angriff vom rechten Flügel aus anzuschließen, Inf.Regt. 43 hinter dem Gren.Regt. 3 als Reserve zu folgen.

Das eigene Artilleriefeuer war zunächst schwach, erst von 1030 vorm. ab wurde es lebhafter; die Infanterie hatte aber bis zuletzt den - im Hinblick auf die geschilderten Reibungen vermutlich durchaus zutreffenden - Eindruck, daß es matt und zersplittert war, und daß die feindlichen (Gräben und Stützpunkte durchaus nicht genügend von ihm gefaßt wurden. Trotzdem wurde um 1130 vorm. zum Angriff angetreten*). Sofort setzte starkes feindliches M.G.- und Artilleriesperrfeuer auf der ganzen Front ein. Die westlich der Suippes vorgehenden Teile des Gren.Regts. 3 fanden beiderseits der Straße Aubérive-St. Hilaire in dem mit vielen Sträuchern und Büschen durchsetzten Gelände, In dem die Begleitartillerie nur wenig Hilfe bringen konnte, erbitterten Wider-stand feindlicher M.G.Nester; von überhöhendem Feuer eigener Maschinengewehre unterstützt, drängten sie aber den zähen Gegner schrittweise zurück und drangen schließlich in das kleine Waldstück beiderseits der Straße westlich des ,,s" von ,,Suippes-R." ein. Nach rechts hin klaffte nach wie vor eine mehrere hundert Meter breite Lücke; der Angriff

*)Gren.Regt. 3 gibt als Angriffszeit 110 vorm. an, wie ursprünglich befohlen war. Nach Angabe der Brigade und Notizen der Division scheint indessen, der verzögerten Artillerie-Vorbereitung entsprechend, eine halbe Stunde später angetreten worden zu sein.

178 Der Angriff der 3. Armee am 16. Juli.

der 239. Inf.Div. hatte um 110 vorm. begonnen, war aber bald zum Stehen gekommen (vgl. S. 172). Auch östlich des Flusses löste sich der Angriff des Gren.Regts. 3 überall in ein mühsames, verlustreiches und langsames Vorarbeiten von Stoßtrupps auf; immerhin schien es, als ob auf diese Weise doch noch ein Aufrollen des zur Suippes laufenden Grabens und dadurch ein Öffnen des Suippes-Überganges möglich sein würde. Beim Gren.Regt. 1 kam es infolge des heftigen feindlichen Sperrfeuers nicht zu einem einheitlichen Angriff. Der rechte Flügel des Regiments arbeitete sich im Anschluß an die 3. Grenadiere ein kurzes Stück vor, auf dem linken erreichten Stoßtrupps vorübergehend (wohl zwischen 10 und 20 nachm.) die Römerstraße. Gegen 445 nachm. war westlich der Suippes das Waldstück westlich des ,,s" von ,,Suippes - R." erreicht. Hart östlich des Flusses hatte die 5./Gren. 3 in die Zwischenstellung eindringen können, unmittelbar daneben arbeitete sich das F.Batl. noch gegen diese Stellung vor. Auf ihrem linken Flügel hatten die 3. Grenadiere das Waldstück westlich Punkt 118 erreicht, dagegen war das Vorgehen des Gren.Regts. 1 nicht wieder in Gang gekommen.

Auch an diesem Tage hatte das A.O.K. versucht, den Angriff durch Einsatz seiner Schlachtstaffeln gegen die feindlichen Batterien zu unterstützen. Um 1155 vorm. starteten 15, um 10 nachm. 16 Flugzeuge der Schlachtstaffelgruppen 3 und 2. Die Staffeln stießen auf starke Erd- und Flak-Abwehr, dagegen nicht auf feindliche Flieger und kehrten nach Abwurf ihrer Bomben und Wurfminen sowie mehrfachen M.G.Angriffen um 115 bzw. 215 nachm. zurück, ein Flugzeug der Schlachtstaffelgruppe 2 wurde abgeschossen.

Gegen 730 abds. stellte die 1. Inf.Div. den Angriff überall ein. Da ein Halten des an diesem Tage neu gewonnenen Geländes nur unter großen Verlusten möglich schien, wurden die Angriffstruppen wieder in die Ausgangsstellung des 16. zurückgenommen. Die Division gliederte sich zur Abwehr und schob das Inf.Regt. 43 zwischen den Gren.Regtern. 3 und 1 in die Front ein. Die auf dem Westufer der Suippes stehenden Teile des II./3 wurden nachts auf das Ostufer des Flusses gezogen. Die Verluste der Infanterie der 1. Inf.Div. am 16.7. sind auf 300 bis 400 Mann einzuschätzen, besonders die Stoßtrupps hatten schwer gelitten.

Bei der 33. Res.Div. lebte am Nachmittag das feindliche Artilleriefeuer erheblich auf; starke Feuerüberfälle erfolgten auf die Butte du Mesnil, Höhe 185 westlich Maisons de Champagne Fe und die Höhe 900 m nordwestlich ,,Ehrenberg". Die Lage des I./Res. 67 auf der letzte-

Geringe Kampftätigkeit an den übrigen Frontabschnitten. 179

ren wurde schwierig, das Bataillon war in Gefahr, in seiner vorgeschobenen Lage von beiden Seiten umfaßt und abgeschnitten zu werden, Wasser und Verpflegung konnten infolge des feindlichen Feuers nur unter großen Schwierigkeiten und nicht ausreichend vorgeschafft werden. Von 905 abds. anfaßte der Gegner sein Artilleriefeuer auf die Höhe 900 m nordwestlich ,,Ehrenberg" zusammen, hier bereitete sich offenbar ein Gegenangriff vor.

An der übrigen Angriffsfront der 3. Armee ereignete sich am 16. Juli nichts von Bedeutung, die beiderseitige Kampftätigkeit blieb auf M.G.-und Gewehrgranatenfeuer beschränkt. Das feindliche Artilleriefeuer war lebhaft, die von den Franzosen erkannten vorgezogenen deutschen Batterien wurden planmäßig bekämpft, Streufeuer schlug überall weit ins Hintergelände. Besonders stark war der Beschuß sämtlicher Infanterie-und Artilleriestellungen des 1. bayer. A.K. sowie der 88. Inf.Div. Deutscherseits gelang es, durch die fleißige Arbeit der Meßtrupps zahlreiche feindliche Batterien - allein 67 im Abschnitt des I. bayer. A.K., und zwar hauptsächlich südlich der 3. französischen Stellung - genau festzustellen; damit konnte eine planmäßige Bekämpfung der feindlichen Artillerie beginnen. Nachdem im Laufe des Nachmittags klar geworden war, daß der Angriff der 1. Inf.Div. keine wesentlichen Erfolge mehr bringen würde, ordnete Generaloberst v. Einem um 60 abds. seine Einstellung an. Das XII. A.K. hatte seine Stellungen zu halten und sich zur Abwehr von Gegenangriffen stark nach der Tiefe zu gliedern. Die für das XVI. und I. bayer. A.K. befohlenen Angriffs-Vorbereitungen sollten eingestellt werden.

Schon um 120 nachm. hatte die 20. Inf.Div. Befehl erhalten, mit allen ihr kriegsgliederungsgemäß angehörenden Truppen (einschließlich bei der 1. Inf.Div. eingesetzten Artillerie) zur 1. Armee in die Gegend von St. Masmes abzumarschieren. Zur gleichen Zeit wurde die 240. Inf.Div. angewiesen, im Raume Semide-Médéah Fe-Mont-St. Martin Unterkunft zu beziehen. Die Märsche konnten mit Rücksicht auf die feindliche Luftbeobachtung erst in der Dunkelheit angetreten werden. Auch für die Divisionen der Armee-Reserve erging 60 abds. der Befehl zum Unterziehen, und zwar 7. Ref.Div. bei St. Souplet, St. Marie-à Py und nördlich, 30. Inf.Div. bei Somme-Py und 228. Inf.Div. bei Croix St. Walfroy und Manre. Von jeder Division blieb ein Infanterie-Regiment für Eingreifzwecke vorgeschoben in der bisherigen deutschen 1. Stellung zur Verfügung des betreffenden Generalkommandos, außerdem blieb die gesamte Artillerie vorläufig noch eingesetzt. Herausziehen

180 Der Angriff der 3. Armee am 16. Juli.

und Abtransport der zum Angriff überwiesenen Artillerie-, Minenwerfer- und sonstigen Formationen nahmen ihren Fortgang. Auch bei der 3. Armee wurde die im Angriff erreichte vorderste Linie als Postenlinie bestimmt. Die Hauptwiderstandslinie sollte von südlich Aubérive über den Südhang der ,,Givet-Höhe"-Baraque (an der Straße Souain-Tahure)-Höhe 188 (an der Straße Tahure-Perthes)-,,Fritsch-Berg"-,,Wetterecke"-Höhe 185 (westlich Maisons de Champagne Fe) zum "Kanonenberg" hin laufen. Diese Linie war bei feindlichem Angriff zu halten, die Vorposten hatten dorthin zurückzugehen.

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Die Kämpfe des 16. Juli hatten der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz und der O.H.L. den am Vortag gewonnenen Gesamteindruck im allgemeinen nur bestätigt. Darüber hinaus aber war heute klar geworden, daß auch südlich der Marne mit einem wesentlichen Fortschreiten des Angriffs nicht mehr zu rechnen war. Lediglich im Kampfgebiet zwischen der Marne und Reims hatten die deutschen Divisionen noch in größerem Umfange Boden gewinnen können.

Der Feind hatte seinen Widerstand vor der 1. und 3. Armee in hervorragender Weise organisiert und dadurch eine Fortführung des Angriffs ohne eingehende neue Vorbereitung unmöglich gemacht. Das gleiche war jetzt vor der 7. Armee südlich der Marne der Fall, wo dem Gegner zwar vorbereitete Stellungen in dem Umfange, wie er sie vor der 1. und 3. Armee besaß, fehlten, wo ihm aber die Gunst des Geländes jeden Vorteil der Verteidigung in die Hand gab. Es war bestimmt zu erwarten, daß an der Front der 7. Armee südlich der Marne sowie vor der 1. und 3. Armee die Opfer an Menschen und Material, die bei einer Fortsetzung des Angriffs entstehen mußten, dem voraussichtlichen Gewinn nicht entsprechen würden. An der Ostfront der 7. Armee dagegen gab das - wenn auch nur schrittweise - Fortschreiten des Angriffs berechtigte Hoffnung, daß hier die Linie noch weiter nach Osten vorgedrückt werden könnte.

K r o n p r i n z W il h e 1 m entschloß sich daher, für den südlich der Marne gelegenen Teil der 7. sowie für die gesamte 1. und 3. Armee den Übergang und die entsprechende Gliederung zur Abwehr zu befehlen, nördlich der Marne sollte die 7. Armee den Angriff fortsetzen. Eine entsprechende Weisung erging um 745 abds. In ihr wurden außerdem noch die Armeen Mudra und Einem angewiesen, Divisionen aus der Front zu

Anordnungen der Heeresgruppe für die Fortführung des Angriffs. 181

ziehen, die 3. Armee hatte überdies mit baldiger Abgabe von Truppen aller Waffen, Arbeitsformationen und Kolonnen zu rechnen. Von der 1. Armee waren Maßnahmen zur Unterstützung des linken Flügels der 7. zu treffen, hierzu sollte vor allem die Gruppe Ilse artilleristisch verstärkt werden. Durch ruhiges, vorbereitetes Zerstörungsfeuer vor der bisherigen Kampffront der 1. und dem rechten Flügel der 3. Armee waren spätere Angriffe vorzubereiten, der Feind aber in der Erwartung einer Fortsetzung der bisherigen Offensive zu lassen. Schließlich wurde noch der 1. Armee die Vorbereitung der Fortnahme des Forts de la Pompelle sowie der Stellung Sept-Saulx-Baconnes-Fort St. Hilaire aufgetragen.

Von den hinter der Angriffsfront der 7. Armee stehenden Heeresgruppenreserven blieben 3. und 51. Res.Div. in ihren bisherigen Räumen bei Muret-et-Crouttes-Grand Rozoy und bei Beuvardes. Die 50. Inf.-Div. wurde der 7. Armee zur Verfügung gestellt, sie erhielt Befehl, sich als Armeereserve bis zum 17.7. 60 vorm. in den Raum Chambrezy-Ville-en Tardenois-Romigny zu schieben. Von den östlich Reims stehenden Reserven waren die 19. (sächs.) Ers.- und die 20. Inf.Div. bereits im Laufe des Tages in westlicher Richtung in Marsch gesetzt worden; sie sollten, der Weisung der O.H.L. vom 15.7. (vgl. S. 146) entsprechend, hinter die 7. Armee gezogen werden und erreichten am Abend die Räume um Auménancourt bzw. St. Masmes. Die 240. Inf.Div. bezog zwischen Semide und Mont-St. Martin Unterkunft.

Die O.H.L., mit welcher die Heeresgruppe auch an diesem Tage in enger Verbindung gestanden hatte, sah am 16.7. vom Erlaß von Befehlen bezüglich der ,,Reims-Marneschutz"-Operation ab.

182 Die Vorgänge auf der Feindseite.

An der Front der franz. 4. Armee waren die deutschen Angriffe im Laufe des 16. Juli wesentlich schwächer und vor allem uneinheitlicher als am Vortage. Von Mittag ab sah General G o u r a u d die Lage als gefestigt an. Am Abend befahl er, die Stützpunktlinie der geräumten 1. Stellung wieder zu nehmen (also ein Vorschieben der Vorposten).

Gegenüber der 5. und 6. franz. Armee griffen frische deutsche Truppen in die Schlacht ein. Die 5. Armee wurde trotz tapferer Verteidigung - besonders beim V. A.K. - stellenweise bis 2 km zurückgedrückt. Der deutsche Angriff aus dem Bois de Courton gegen Nanteuil-la Fosse, d. h. gegen den linken Flügel des II. ital. A.K., stieß auf einen Gegenangriff der neu eingesetzten 14. franz. Inf.Div., der Raumgewinn der Deutschen blieb dadurch verhältnismäßig gering. Allerdings mußte hier mit der Ablösung der völlig abgekämpften 8. ital. Inf.Div. durch die 14. franz. sofort begonnen werden, so daß nunmehr beim II. ital. A.K. von östlich St. Euphraise bis Courton ruine die 3. ital. sowie die 120. und 14. franz. Inf.Div. in Front waren. Bei der 120. franz. befand sich noch ein leidlich kampfkräftiges Regiment (Inf.Regt. 52) der 8. ital. Inf.Div. Bei dem südlich anschließenden V. A.K. fochten die 40. und 7. Inf.- sowie die 10. Kol.Div., dazwischen am linken Flügel noch die schwer mitgenommene 8. Inf.Div. Außerdem griffen hier Teile der 1. Kav.Div. (vom 1. Kav.K.) ein. Das deutsche Vordringen über Reuil-sur Marne hinaus flußaufwärts erregte Besorgnis. Über alle südlich der Marne kämpfenden Truppen der

Wechselvoller Kampf an der Front der franz. 5. und 6. Armee. 183

5. Armee, in der Hauptsache also die 3. und 5. Kav.- sowie die 77. Inf.Div., übernahm der Führer des 1. Kav.K. den Befehl. Von Mittag an begannen hier französische Gegenangriffe. Die 131. Inf.Div. (vgl. S. 151) wurde gegen Chêne - la Reine herangeführt und dem 1.Kav.K. unterstellt, so daß zwischen der Marne und Festigny-les Hameaux (südlich des Bois de Chataigniers) schließlich die 3. Kav.Div., 131. Inf.Div., 5. Kav.Div. und 77. Inf.Div. standen.

Bei dem III. A.K., hinter dem inzwischen auch die 4. Inf.Div. (vgl. S. 51) eingetroffen war, schien die Lage zeitweise kritisch, jedoch konnten die Deutschen keine Erfolge erzielen; ihre Angriffe trafen mit französischen Gegenangriffen zusammen, durch welche die Deutschen la Chapelle-Monthodon und St. Agnan verloren. Andererseits ließ es die Erschöpfung der Truppen auch nicht zu den von den Franzosen erhofften Erfolgen kommen. Von der 28. amer. Inf.Div. wurde hier die 55. Brig. eingesetzt, die neu ankommende 18. franz. Inf.Div. griff am rechten Flügel ein und schließlich wurden auch noch Teile der 4. Inf.Div. in die Front gezogen. Die Verbände waren überall vermischt, mit dem Herausziehen der abgekämpften 51. und 125. Inf.Div. mußte begonnen werden. Das III. A.K. hatte am Abend des 16. (bzw. am frühen Morgen des 17.7.) von südlich Nesle-le Repons bis nördlich Janvier Fe die 18. und 20. Inf.Div. (beide miteinander so wie mit Teilen der 51. Inf.Div., 4. Iuf.-Div. und der 55. amer. Brig. vermischt) und die mit Resten der 125. durchsetzte 73. Inf.Div. in Front. Beim XXXVIII. A.K. hatte ein Angriff im Abschnitt der 3. amer. Inf.Div. größeren Erfolg: westlich des Surmelin wurde das Südufer der Marne von den Deutschen gesäubert, 600 Mann wurden gefangengenommeu.*) In 2. Linie stand hier die 56. Brig. der 28. amer. Inf.Div.

Zu einem einheitlichen Gegenangriff auf die beiden Flanken des Sackes südlich der Marne kam es demnach am 16. Juli nicht, die von Pétain überwiesenen Divisionen mußten sämtlich zur Stützung der Front und zu örtlichen Gegenstößen eingesetzt werden. Die 168. Inf.Div. rückte hinter die Front des III. A.K. heran.

Hinsichtlich der im Antransport befindlichen vier britischen Divisionen__(vgl. S. 47) bestimmte General F o ch, daß zwei von ihnen

*) Da die deutsche 10. Inf.Div. in der Nacht vom 15./16. Juli das linke Marneufer planmäßig geräumt hatte, kann ein eigentlicher ,,Angriff'" hier nicht stattgefunden haben. Bei den 600 Gefangenen handelt es sich vermutlich um Versprengte und Nachzügler, vielleicht auch noch um einige zurückgebliebene Verwundete, Posten und Sicherungen.

184 Die Vorgänge auf der Feindseite.

(51. und 62.) zusammen mit dem Genkdo. des XXII. brit. A.K. hinter der Heeresgruppe ,,Mitte" zur Verfügung des Generals Pétain, die beiden anderen (15. und 34.) hinter der Heeresgruppe ,,Reserve" zu seiner eigenen Verfügung ausgeladen werden sollten. Von den Heeresreserven hatte General Pétain inzwischen die franz. 9. Inf.Div. (vgl. S.51) der Heeresgruppe ,,Mitte" zugeteilt, sie wurde von dieser der 5. Armee zu geführt. Im übrigen erhielt der Heeresgruppenführer, General M a i st r e , Befehl, Kräfte der 4. Armee zur Verstärkung der 5. verfügbar zu machen, die baldmöglichst zum Gegenangriff schreiten sollte. Für diesen Zweck beantragte General Maistre noch die Überlassung des XXII. brit. zur Ablösung des völlig erschöpften II. ital. A.K. Schließlich wurde aus dem rechten Flügel der 6. Armee, dem III. und XXXVIII. A.K., eine neue (9.) Armee unter General d e M it r y gebildet (Befehlsübernahme am 17. Juli 90 vorm.), damit das A.O.K. 6 sich ganz der ihm neben der 10. Armee zufallenden Angriffsaufgabe zuwenden konnte. Die 9. Armee erhielt den Befehl, in enger Verbindung mit dem linken Flügel der 5. die Deutschen über die Marne zurückzuwerfen.

Pétain war über den raschen Verbrauch seiner Reserven beunruhigt, da er einen weiteren deutschen Angriff an einem anderen Frontabschnitt, besonders an der Oise in Richtung auf Paris, für möglich hielt. Es machte den Eindruck, als ob die Schlacht an der Marne im Abflauen begriffen wäre, aber was würde mit den dann verfügbar werdenden deutschen Divisionen geschehen? Bisher waren vor der Front der Heeresgruppe ,,Mitte" nur 20 frische Divisionen festgestellt worden, es waren also noch längst nicht alle deutschen Reserven eingesetzt. Östlich Reims schien der Angriff bereits eingestellt zu sein, zu einem Einsatz der Divisionen 2. Linie war es hier gar nicht gekommen. Pétain brachte seine Bedenken Foch gegenüber schriftlich zur Sprache, er wies dabei auf die Wichtigkeit einer starken Abwehrfrout nördlich der Oise hin.

Der 17. Juli. 185

N ach einer an der gesamten Angriffsfront beiderseits Reims unruhig verlaufenen Nacht dämmerte der Morgen des 17. Juli herauf. Die morgendliche Kühle wich sehr bald einer drückenden Hitze und Schwüle. Unbarmherzig sandte die Sonne ihre Strahlen auf die ausgedörrte Erde, bisweilen ließen plötzliche Windstöße als Vorboten eines sich zusammenballenden Gewitters den alle Straßen und Wege bedeckenden, dichten Staub in leichten Wirbeln in die Luft steigen.

Es schien fast, als ob zwischen dieser schwülen, unheilgeladenen Stimmung der Luft und der Stimmung der Truppe ein enger Zusammenhang, eine fast eigenartig anmutende Gleichheit bestand. Besonders bei der 7. Armee war das der Fall, die ja tatsächlich an den beiden vorausgegangenen Angriffstagen die Hauptlast getragen hatte, und für welche der 15. und 16.Juli ein einziger, ununterbrochener K a m p f gewesen waren. Die schon ohnehin im vierten Kriegsjahr nicht mehr allzu starken Nerven der feldgrauen Männer befanden sich in einer Spannung, die kaum noch gesteigert werden konnte. Die Eindrücke der letzten Tage waren zu gewaltig gewesen! Mit einer Reihe von Nachtmärschen hatte es angefangen, zwischendurch eng zusammengedrängte Unterkunft oder Biwak, die kurze Ruhe häufig durch Fliegerangriffe und Femfeuer der feindlichen Artillerie gestört. Dann war das Vorrücken in die Bereitschaftsräume und zu den Übersetzstellen gekommen, zumeist ein schwieriges, unerfreuliches Vorwärtsschieben und -drängen durch stockdunkle, regendurchpeitschte Nacht, bisweilen ohne Weg und Steg im unbekannten Gelände, oftmals jäh unterbrochen, wenn es galt, den Feuer- und Gasüberfällen der feindlichen Batterien

186 Der 17. Juli.

zu entgehen. Hier und da hatte es schon böse Verluste gegeben. Endlich das Übersetzen selber: würde es gelingen? Würde der Gegner überrascht werden? Höchste Spannung! Als Antwort hatten die Maschinengewehre der Franzosen und Amerikaner gerattert, waren ihre Granaten zwischen den Pontons ins Wasser, nicht selten auch mitten in die Pontons hineingeschlagen. Und von da ab waren die beiden letzten Tage ein einziges wildes Anrennen gegen den sich zäh wehrenden Feind, ein ununterbrochenes, verbissenes Kämpfen um jeden Fußbreit Boden, ein Sichanstemmen gegen mächtige Gegenstöße, ein dauerndes Bluten und Sterben gewesen. Viele Führer waren gefallen, die Verluste der Truppen stiegen und stiegen, manche Kompagnie war dezimiert, zahlreiche Batterien hatten nicht ein einziges Geschütz mehr. Wenn aber die Geschosse der immer stärker werdenden feindlichen Artillerie nicht in den eigenen Linien, zwischen den eigenen Kanonen einschlugen, wenn man sie gurgelnd und pfeifend über die eigenen Köpfe hinweg ins Hintergelände ziehen hörte, so faßten sie dort sicher die Reserven, die zur Unterstützung herankommen sollten, die Kolonnen, welche die so dringend notwendige Munition, die heiß begehrte Verpflegung nach vorn brachten, die Marnebrücken, deren ständige Beschädigungen die im Feuer des Gegners zusammengeschmolzenen tapferen Pionierkompagnien kaum noch beheben konnten. Ließ nicht das Feuer der eigenen Batterien mehr und mehr nach? Hatte nicht die feindliche Artillerie ein neues Geschoß, welches besonders grauenvolle Verletzungen hervorrief*)?

Das Schlimmste aber war beinahe, daß man nichts vom Gang der Ereignisse an den anderen Frontabschnitten hörte. Der Frontsoldat wußte ja aus jahrelanger Kriegserfahrung, daß es in einer großen Schlacht, wie diese es war, nicht überall gut stehen konnte; wie oft hatte man sich gerade selber an der Stelle befunden, wo es am heißesten und härtesten zuging oder wo es sogar im großen Rahmen eines Sieges auch einmal einen örtlichen Rückschlag gegeben hatte. Aber dann mußte man doch nun endlich einmal hören, an welchem Teil der Front es vorwärtsging, wo der Sieg heranreifte! Oder reifte er gar nicht heran, blieb er den Deutschen diesmal versagt? Die Ungewißheit drückte furchtbar auf die Stimmung, sie zehrte zusammen mit all dem Schweren der vergangenen Kampftage an der seelischen Kraft der Truppe. Es lag beinahe etwas Unheimliches in der Luft. In einer solchen Lage konnte eine

*) Nach der Regts.Gesch. des Inf.Regts. 151 . Ob diese Annahme (beim Inf.-Regt. 151 sogar bestimmte Angabe!) zutraf, muß dahingestellt bleiben; sie ist aber jedenfalls bezeichnend für die Nervenanspannung der Truppe.

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